Taoismus

die Yin/Yang-Lehre

Yin Yang

Der Ursprung des Taoismus ist etwa 300 Jahre vor Christus zu vermuten. Der chinesische Weise Lao-Tse benutzte in seiner Gedichtesammlung „Tao Te King“ den Begriff Tao (jap. Do) zum ersten Mal. Nicht um theoretische Erwägungen geht es, sondern um einen Lebensweg, den man wirklich gehen muß, um ihn zu erfahren. Von anderen (z. B. Lehrern) gegangene Pfade oder fixierte schriftliche Lehren führen zu keinem Erfolg. Allein persönlicher Unterricht bringt die Erkenntnis.
Im Einklang mit den Gesetzen der Natur soll der Mensch leben und sich selbst als Teil dieser Natur verstehen (Mensch = Mikrokosmos, Natur = Makrokosmos).

Der Taoismus gibt seinem Anhänger Ratschläge für das tägliche Leben und lehrt ihn, wie man seine Lebensenergien freimacht und störungsfrei zirkulieren läßt, wie man seine Ziele gegenüber Störungsversuchen von Außen (z.B. Gegnern) erfolgreich erreicht, wie man seine körperlichen und geistigen Kräfte gesund erhält und stärkt.

Lao Tse sagte, es sei falsch, Kraft mit Kraft zu bekämpfen. Ist die gegnerische Kraft größer als die eigene, sei es besser, erst einmal nachzugeben, um dem Gegner die Balance zu rauben und dessen überlegene Kraft gegen ihn selbst anzuwenden.

Der Taoismus als der ursprüngliche Glaube der Chinesen unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom naturalistischen Urglauben der meisten Völker. Dieser frühe Glaube kannte die Verehrung von Himmel und Erde, Wind und Donner, kannte aber auch die animistische Angst vor Übernatürlichem ebenso wie dessen Verehrung. Erstmals um 4000 v. Chr., sollen die Begriffe Yin und Yang aufgetaucht sein. Dieses Begriffspaar symbolisiert alle gegensätzlichen Pole des Universums und schließt solche Begriffspaare wie Mann – Frau, Feuer – Wasser, Winter – Sommer oder Lehrer – Schüler ein. Es zeigt das ewige Wechselspiel der Kräfte, die alle zu einer kosmischen Einheit gehören. Auch Gegensätze abstrakter Natur wie positiv – negativ, stark – schwach, gut – böse und hart – weich gehören zu diesem universalen Rhythmus. Diese Gedankenwelt archetypischer Gegensätze, in der es keinen Anfang und kein Ende, sondern nur den ständigen Wechsel gibt, wird graphisch durch das Yin/Yang-Symbol dargestellt.

Yin ist der dunkle, negative Aspekt, während Yang für den hellen, positiven Aspekt steht. Die Formen von Yin und Yang sind oft als stilisierte Fische gedeutet worden, die ständig umeinander kreisen. Tao ist ein philosophischer Begriff, der sich nur sehr schwer übersetzen läßt. Er kann sowohl „Weg“ bedeuten (jap. Do) als auch „Lauf der Dinge“, „Ordnung“, „Norm“, „Gesamtheit“ und „Sinn“. Im Allgemeinen wird das Tao als stilles, über alles herrrschendes Prinzip des Alls gedeutet. Durch die Existenz des Tao wird Yang erschaffen, und, wenn Yang sein Äußerstes erreicht hat, entsteht Yin. Dies gilt umgekehrt genauso, sodaß immer eine Bewegung da ist, in der Yin und Yang sich gegenseitig bedingen. So ist also nichts außer dem ständigen Wechsel von Dauer. Die beiden jeweils andersfarbigen Punkte in Yin und Yang sollen zeigen, daß nichts nur gut und nichts nur schlecht ist, sondern in allem auch etwas vom anderen enthalten ist. Hier überwindet das Yin/Yang-Prinzip natürlich einen strengen Dualismus bzw. eine strikte Gegensätzlichkeit.

Diese sehr alten Begriffe Tao und Yin/Yang tauchen auch im Buch der Wandlungen, dem „I Ging“, auf, von dem frühe Fassungen schon im 12. Jahrhundert v. Chr bekannt waren.

Laotse (= der Alte) soll aus der Nordprovinz Honan stammen. Sein Geburtsdatum liegt um 700 v. Chr. ansonsten ist uns über sein Leben wenig bekannt. Etwas mehr wissen wir über das ihm zugeschriebene „Tao te king“ (= „das Buch vom Sinn des Lebens“). Dieses Buch aus fünftausend chinesischen Schriftzeichen soll Laotse während seiner freiwilligen Flucht in die Eremetage einem Grenzwächter übergeben haben. Laotse ist der erste chinesische Philosoph, der versucht, den „Weltzusammenhang“ ohne Rückgriffe auf den Anthropomorphismus der Frühzeit zu erklären (Anthropomorphismus = Übertragung menschlichen Wesens auf andere Lebewesen bes. Götter).

Das Tao selbst ist das große Ganze, der ständige Kreislauf und Wechsel aller für uns vorstellbaren Dinge. Begriffe wie Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit gibt es für das von Zeit und Raum unabhängige Tao nicht. Der Wechsel aller menschlichen, natürlichen und kosmischen Erscheinungen vollzieht sich allerdings nicht willkürlich, sondern liegt in der unfaßbaren Tiefe des Tao begründet. Da sich in diesem Weltprinzip alles von selbst frei entfaltet, bedarf es keiner äußeren Einflüssen mehr.

Für uns paradox klingend und nur sehr schwer vorstellbar, wird sogar das Tao selbst als nichtseiend definiert. Dennoch besitzt es eine Einflußnahme, die sich aber nicht in aktivem Lenken zeigt, sonder im Nicht-Handeln (Wu-Wei).

Soviel zur Welttheorie des Laotse, die als geistiges Prinzip eine gewisse Ähnlichkeit mit der Aktualitätstheorie des Herklit aufweist, die in komprimierter Form durch den Sinnspruch „Panta rhei“ (dt. „Alles fließt“) zum Ausdruck gebracht werden kann.

Wie nun aber kann der einzelne mit der Theorie des Laotse glücklich werden? Der ideale Taoist kann zwei Wege beschreiten:

 

  1. Er kann versuchen, sich mit Hilfe all seiner Sinne und Fähigkeiten mit der Natur in Einklang zu bringen, um so das Tao unbewußt zu erfassen. Die Menschen sollen sich darüber klarwerden, daß nichts ewig ist, und den Begriffen Reichtum, Besitz, Leben, Tod nicht zuviel Bedeutung beimessen, da auch sie nur vorübergehende Erscheinungen sind. Die Menschheit darf nicht erstarren, sie muß bereit sein, sich ständig zu verändern, bereit sein, immer hinzuzulernen.
  2. Der zweite Weg, den ein Taoist einschlagen kann, führt über die Stille und Zurückgezogenheit. Auch in diesem Zusammenhang wird das „Nicht-Handeln“ (Wu-Wei) wieder erwähnt. Nichts zu tun, heißt natürlich nicht, absolut nichts zu tun, sondern Wu-wei ist die Vermeidung künstlicher Aktivität zugunsten von Ruhe und Besonnenheit. Dieser Weltanschauung, deren höchste Tugenden Menschenfreundlichkeit, Bedürfnislosigkeit und Ausgeglichenheit sind, ist oft ein gewisser Nihilismus vorgeworfen worden, was aber dem Wesen des Taoismus nicht gerecht wird, denn er ist nicht ziel- oder wertlos. Indem er Tao, Yin/Yang und Wu-wei anerkennt, findet er einen Weg zu den höchsten kosmologischen Werten. Der überzeugte Taoist ist zurückhaltend, nachgebend, und von unerschütterlicher Ruhe.

Nicht zuletzt durch den Taoismus wird den Samurais vergangener Zeiten ein unerschütterlicher Stoizismus nachgesagt. Die geistige Kraft des Taoisten wird nicht durch Emotion oder übertriebenes Handeln geschwächt, sodaß sie dadurch, zum geeigneten Zeitpunkt, ganz und ohne Einschränkung zur Verfügung steht.